Das Publikum liegt flach - mehr als nur witzig

Pressestimme zum Programm '99'

Kurier

Wenn zwei Menschen auf der Bühne sind, sollten sie gegensätzlich sein. Dann wird’s spannend," sagte Klaus Eckel im KURIER.at-Interview. Gemeinsam mit seinem neuen Bühnenpartner Günther Lainer (bekannt u.a. aus der ORF-Show "Was gibt es Neues?") stellt er in dem Programm "99" ein Duo auf die Bühne, das gegensätzlicher nicht sein könnte.  Am Montag war Premiere im Wiener Stadtsaal. Die beiden Kabarettisten spielen zwei Angestellte der Firma "Schmutzengel", die in einem Einkaufszentrum nebeneinander Aufstellung nehmen: Hier der Oberösterreicher Lainer als grantiger, konservativer Herr Schreiner, der Beserl und Schauferl verklopfen möchte; und dort der Wiener Eckel als hyperaktiver, innovativer Herr Zeckel, der als Lurchbeseitigungslösung einen PS-starken Handstaubsauger feilbietet. Eines vereint die gegensätzlichen Figuren aber: Beide schaffen es nicht, auch nur einen Kunden anzulocken. Dabei brauchen beide jeweils nur mehr einen, um auf 100 verkaufte Produkte zu kommen. Als Belohnung winkt die Möglichkeit, zum Chef des anderen ernannt zu werden. Aufgrund mangelnder Nachfrage halten beide eben nur bei 99 - und die Überbrückung der ausgedehnten Pausen wird zur Hauptbeschäftigung der Supermarkt-Tandler. Während der ländliche Typ (Lainer) an seinen handgeschriebenen, kargen Mundartgedichten werkelt und ohne jedem Optimismus dem Weltschmerz verhaftet ist, preist der städtische Widerpart die Vorzüge seines iPads und alle anderen Segnungen der modernen Welt und rückt dem lakonischen Grantler ständig auf die Pelle.Eckel zeigt seine Fabulierkunst, mit der er sich bereits ein treues Kabarett-Publikum erspielt hat, auf gewohnt hohem Niveau. Den naiv-schrulligen Charme seiner Figuren aus den Solo-Programmen bettet er problemlos in dieses kurzweilige Duo-Programm ein. Und so stürzt er sich rastlos von einem schrägen Gedankenexperiment ins nächste, über "Lichtnahrung" bis zur "Hodenatmung", und dringt zu den so noch nie gedachten Fragen der Menschheit vor: "Warum gibt`s gerade im Flugzeug gerade am Klo kein Fenster?  Wer soll da reinschauen?" Oder: "Warum müssen Hühner vor dem Schlachten glücklich sein?" Es wäre doch besser, es ginge ihnen schlecht. Dann hätten sie nichts zu verlieren. Seine Figur hat es sich in einer Seifenblase bequem gemacht, in der alles gut werden muss. Sowohl die Krise im Großen als auch das Scheitern im Kleinen, das hier elefantös im Raum steht, haben in Zeckels System keinen Platz, auch wenn die quengelnden Lautsprecher-Durchsagen aus der Chefetage (Stimme: Nadja Maleh) anderes andeuten. In dermaßen hohem Tempo agiert Eckel, dass bei der Wien-Premiere auch ein paar Texthänger passierten, die aber mit Hilfe des Publikums sympathisch gemeistert wurden. Seinen Kollegen bringt die Nervensäge immer wieder an den Rand eines Wutausbruchs. Dieser wirft seine körperliche Überlegenheit aber nicht voll in den Ring, und behilft sich mit  bösen verbalen Fouls. Lainer hat den Ton für seine Figur noch nicht ganz gefunden. Sein grummelnder Herr Schreiner bietet zwar die perfekte Reibefläche für Eckels bestens geölte Pointenschleuder. Aber um als gemütlicher Zyniker auch ein physisch greifbares Unwohlsein zu verströmen (Josef Haders Bösel im Klassiker "Indien" hat man hier unweigerlich im Kopf), fehlen der Figur noch etwas die Nuancen. Als im zweiten Teil gemeinsam gesungene Kinderlieder 2.0 dazukommen, und Eckel auf dem iPad dazu live Gitarre spielt (sic!), harmoniert das Duo sichtlich immer besser. Und wenn die beiden dann sogar eine pompöse Zweierchoreographie mit ihren Reinigungsgeräten hinlegen, liegt das Publikum flach.  Zeckel und Schreiner weisen darauf hin, dass ihre Putzlösungen von Stiftung Warentest immerhin als "sehr ausreichend"  und  "ziemlich befriegend" bewertet wurden. Um in der Sprache der in "99" liebenswert skizzierten, bewertungssüchtigen Welt zu bleiben: Dieser Abend ist weit mehr als ausreichend witzig. Empfehlung!